Werne/Amsterdam. Die Niederlande werden vom Auswärtigen Amt aktuell als Gebiet mit besonders hohem Infektionsrisiko eingestuft. Dennoch endete dort am Mittwoch (28. April) der rund vier Monate dauernde strenge Lockdown.
Die Ausgangssperre ist vorbei, die Restaurants öffnen ihre Außengastronomie und die Menschen dürfen wieder zwei Personen außerhalb des eigenen Haushalts treffen. Die Mediziner sehen angesichts voller Intensivstationen die Lockerungen kritisch. WERNEplus sprach mit Marina Moederzoon aus Werne. Sie lebt mit Ehemann und den drei Kindern (4, 7 und 8 Jahre) seit gut zwei Jahren in Amsterdam.
Sind Sie angesichts der Situation eher erleichtert oder besorgt?
Ich bin erleichtert. Es gibt Perspektiven für viele Menschen, die zu lange keine Perspektive hatten. Einer der größten Tests war das Öffnen der Kinderbetreuung von null bis vier Jahren und der Grundschule von vier bis zwölf Jahren. Die Öffnung war schon Ende Februar. Das hat gut geklappt und hat etliche Eltern entlastet. Nicht zu vergessen, hat es vor allem den Kindern geholfen, die wie in Deutschland ihre Freunde und auch Schule vermisst haben. Ich bin froh, dass wir hier in den Niederlanden von Beginn an kinderfreundlichere Regeln hatten und haben. Auch die steigenden Zahlen haben den Schul – und Betreuungsbetrieb nicht beeinträchtigt. Ich vertraue auf das RIVM (das niederländische RKI, Anm. d. Red.) und den Wissenschaftlern, die hart arbeiten und die Regierung bei ihren Schritten beraten.
Wie schauen die Lockerungen genau aus, was ist wieder möglich und was nicht?
Die Außengastronomie ist zwischen 12 und 18 Uhr geöffnet; maximal zwei Personen aus verschiedenen Haushalten mit Reservierung und Gesundheitscheck. Das ist schon mal was.
Zoos und Erlebnispark sowie De Efteling oder Keukenhof bleiben geschlossen. Es gibt in bestimmten Parks Test-Tage zu denen man sich anmelden kann, wenn man negativ getestet wurde. Was wirklich viel ausmacht, ist die Öffnung der Geschäfte. Das aber natürlich mit den auch in Deutschland bekannten Beschränkungen. Theater, Museen, Fitnessstudios und Kinos bleiben geschlossen. Es geht in die richtige Richtung, aber es ist auch noch viel geschlossen.
War es voll in Amsterdam am ersten Tag nach dem Lockdown?
Wir wohnen ja am Stadtrand. Es war wohl auch bei uns Thema, dass es in der Stadt sehr voll war und die Gemeinde aufgerufen hat, bitte nicht mehr ins Zentrum zu kommen. Ich habe von endlosen Schlangen vor IKEA und Primark (ein Textil-Discounter, Anm. d. Red.) gehört. Laut den Gemeinden gab es aber keine Probleme, und es hielt sich in Grenzen.
Haben Sie Sorge, sich mit Sars-CoV-2 anzustecken?
Meine jüngste Tochter (vier Jahre alt, Anm. d. Red.) hatte vor einem Monat Corona, zum Glück sehr milde in Form einer Erkältung. Wir anderen vier sind verschont geblieben. Wir passen gut auf uns auf und hoffen, gut durch zu kommen.
In Deutschland werden die Lockerungen im Nachbarland kritisch gesehen. Wie schätzen die Niederländer die Lage ein?
Was man aus unseren Medien hört, sei der höchste Punkt der dritten Welle erreicht und man erwartet sinkende Zahlen, sowohl bei den Neuinfektionen als auch in den Krankenhäusern. Am Mittwoch war die Sieben-Tage-Inzidenz drei Prozent geringer als in der Vorwoche.
Die Impfungen laufen auf vollen Touren und wie in Deutschland werden auch in den Niederlanden große Vakzine-Lieferungen und somit mehr Geimpfte erwartet. Es gibt also in Kürze weniger Menschen, die sich anstecken können.
Die Perspektiven sind einfach wichtig. Wir alle sind müde von Corona. Ich möchte nicht mit jemandem tauschen, der als Single im Mehrfamilienhaus ohne Balkon seit Monaten allein sitzt und womöglich auch noch arbeitslos ist. Nur als ein Beispiel. Wenn den Menschen wieder nach und nach mehr Raum gegeben werden kann, umso besser; natürlich unter Einhaltung der Basisregeln (1,5 Meter Abstand, Hände waschen, bei Symptomen zu Hause bleiben und sich testen lassen).
Wissen Sie schon, wann Sie geimpft werden?
Laut der offiziellen Homepage können wir Ende Juni mit einer Einladung zur Impfung rechnen. Das glaube ich aber erst, wenn ich sie habe.
Wann waren Sie mit Ihrer Familie zum letzten Mal in Werne?
Das war am 12. September 2020. Danach war mir das Reisen zu riskant. Wir haben Risikopatienten in der Familie und die Gefahr, doch jemanden anzustecken, war mir einfach zu groß. Jetzt scharren vor allem Omas und Opas mit den Füßen, dass sie endlich wieder zu uns fahren dürfen. Ich hoffe, dass ich in den Sommerferien wieder nach Werne fahren kann.